Starke Kohlenstoffnukleophile
- Neues aus der Fakultät 2023
Eines der fundamentalen Prinzipien der organischen Chemie stellt die Reaktion von einem Nukleophil mit einem Elektrophil dar. Die Stärke der Polarisierung beider Moleküle ist dabei ein entscheidendes Kriterium für die Reaktionsgeschwindigkeit. Zur Einordnung der Reaktivität von Molekülen existieren verschiedene Modelle, wie das Lewis-Säure-Base- oder das HSAB-Konzept. Eine Skala welche die Quantifizierung von Nukleophilie und Elektrophilie von organischen Verbindungen erlaubt, ist die von Herbert Mayr (LMU) entwickelte Skala die auf kinetischen Messungen basiert und eine quantitative Aussage über die Reaktionsgeschwindigkeiten erlaubt.
In der Zeitschrift Angewandte Chemie veröffentlichte nun die Arbeitsgruppe um Hansmann in Kooperation mit der Gruppe von Armin Ofial von der LMU die Einordnung von mesoionischen N-heterozyklischen Olefinen (mNHOs) auf der Mayr-Skala.
Es konnte gezeigt werden, dass diese erst kürzlich von der Hansmann Gruppe entdeckte Molekülklasse die stärksten Nukleophile auf der Mayr-Skala darstellen. Dies ist beachtlich, wenn man berücksichtigt, dass bereits mehr als 1000 Nukleophile in der Skala quantifiziert wurden. Die Nukleophilie dieser neutralen Verbindungen übertrifft sogar die Nukleophilie von Anionen und kann gezielt über die Substituenten gesteuert werden. Die Quantifizierung der Nukleophilie mittels Stopped-Flow Messungen erlaubt es Voraussagen über Reaktionsgeschwindigkeiten zu machen, die experimentell in der Arbeit bestätigt werden konnten.
Des Weiteren wurde eine computergestützte Methode entwickelt, um die Nukleophilie noch nicht synthetisierter mesoionischer Olefine voraussagen zu können. Somit wurde nicht nur die elektronische Struktur dieser faszinierenden Strukturklasse analysiert, sondern die Grundlage geschaffen, neue starke Nukleophile zu designen, welche sich beispielweise in der Aktivierung kleiner Moleküle oder in der Organokatalyse anwenden lassen. Der Artikel wurde vom Journal als „hot paper“ ausgezeichnet.