Publikation in Nature Chemistry
- Neues aus der Fakultät 2021
Ging unserem heutigen Leben eine Welt voraus, die auf RNA als universellen Bausteinen basierte und erst später von DNA abgelöst wurde? In einem interdisziplinären Forschungsteam untersuchen Wissenschaftler*innen aus Dortmund und München, welche Rolle die Ribonukleinsäuren (RNA) bei der Entstehung des Lebens gespielt haben könnten. Die Arbeit zeigt, wie unter realistischen geologischen Bedingungen Prozesse, die für die Entstehung des Lebens bedeutsam gewesen sein mögen, durch physikalische Nichtgleichgewichtsprozesse begünstigt worden sein könnten. Die Erkenntnisse wurden kürzlich in der renommierten Fachzeitschrift Nature Chemistry veröffentlicht.
Während in heutigen Lebensformen die Desoxyribonukleinsäure (DNA) den Bauplan der Proteine, den Nanomaschinen des Lebens, enthält, spielt in der RNA-Welt-Hypothese deren Schwesterpolymer eine zentrale Rolle. Die Hypothese geht davon aus, dass das Leben aus sich selbst reproduzierenden RNA-Molekülen entstand, die vor der Evolution von DNA und Proteinen existierten. RNA kann beides sein, Informationsspeicher und Nanomaschine. Dies macht sie als Kandidat für das erste Biopolymer des Lebens besonders interessant, weil sie dadurch prinzipiell die Sequenz anderer RNA-Stränge kopieren kann und damit den Prozess der Darwin’schen Evolution hätte starten können.
Um die Aufgabe als Nanomaschine erfüllen zu können, muss sich die RNA jedoch ähnlich wie Proteine in eine korrekte und somit aktive Form falten – ein Prozess für den sie spezifische Anforderungen an ihre Umgebung stellt. Insbesondere benötigt sie dafür eine relativ hohe Konzentration an zweifach geladenen Magnesiumionen und eine möglichst geringe Konzentration an einfach geladenem Natrium, da letzteres zu einer Fehlfaltung der RNA-Stränge führen kann. Bisher war jedoch unklar, wie solche vorteilhaften Bedingungen durch präbiotisch plausible Prozesse erzeugt werden können.
Forschungskooperation zwischen Biophysik, Geowissenschaften und chemischer Biologie
In einem interdisziplinären Forschungsansatz konnten nun Wissenschaftler*innen der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München und der TU Dortmund aus den Bereichen Biophysik, Geowissenschaften und chemische Biologie zeigen, wie aus damals wie heute hochverfügbarem Basalt und einfachen Wärmeflüssen das für die RNA-Faltung richtige Verhältnis zwischen Magnesium- und Natriumionen durch natürliche Prozesse bereitgestellt werden konnte.
Dafür wurden zuerst in der Arbeitsgruppe der Geowissenschaften von Don Dingwell und Bettina Scheu (LMU) die Basalt-Proben in verschiedenen Zustandsformen, Gestein oder Glas, synthetisiert. Das Basalt-Glas erhält man hierbei durch das rasche Abkühlen von geschmolzenem Basalt, ein natürlicher Prozess wie er seit der Existenz der Ozeane kontinuierlich auf der Erde stattfindet. In einem zweiten Schritt untersuchten die Biophysiker der Arbeitsgruppe von Dieter Braun und Christof Mast (LMU), welche Mengen an Magnesium und Natriumionen unter verschiedensten Randbedingungen, wie Temperatur oder Korngröße des Geomaterials, herausgelöst werden konnten. Hierbei zeigte sich, dass stets deutlich mehr Natrium ins Wasser gelangt als Magnesium – letzteres in viel geringeren Konzentrationen, als für die RNA-Nanomaschinen benötigt.
Betrachtet man nun jedoch das volle Bild mit Wärmeströmen, welche aufgrund der hohen geologischen Aktivität sehr wahrscheinlich vorhanden waren, ändert sich die Situation maßgeblich. In den feinen Kanälen, wie sie in basaltischem Glas leicht zu finden sind, führt ein solcher Wärmestrom zur gleichzeitigen Konvektion des Wassers und zu einer Drift der Salzionen entgegen des Wärmstroms. Dieser Thermophorese genannte Effekt ist dabei stark von der Ladungszahl und Größe der Ionen abhängig. In Kombination führen die Konvektion und Thermophorese schließlich dazu, dass sich Magnesiumionen viel stärker lokal anreichern als Natriumionen. Die Forscher konnten dabei zeigen, dass das unterschiedlich starke Aufkonzentrieren der Salze mit der Größe des Gesamtsystems zunimmt.
Die entsprechenden Test-Systeme in Form von katalytisch aktiven RNA-Strängen (Ribozym) wurde durch die Arbeitsgruppe von Hannes Mutschler (TU Dortmund) bereitgestellt. Insbesondere konnte das Team zeigen, dass die thermophoretischen Bedingungen die Selbstreproduktion eines Modell-Ribozyms deutlich verbessern. Den gleichen Effekt beobachteten sie auch für ein weiteres Ribozym, welches unter dem Einfluss der Thermophorese in der Lage war, mehrere kurze RNA-Stränge zu verknüpfen und damit sehr lange RNA-Moleküle zu erzeugen. Diese beiden grundlegenden biologischen Aktivitäten waren auch durch die Auftrennung der Natrium- und Magnesiumionen, wie sie in den thermophoretischen Systemen vorkommt, deutlich effektiver. Selbst sehr große Natrium-Überschüsse im Bereich von 1000:1 im Vergleich zu Magnesium, die in manchen prebiotischen Szenarien angenommen werden und mit der RNA-Katalyse nicht kompatibel sind, können durch das im Paper vorgestellte Szenario ausgeglichen werden, sodass die Ribozyme trotzdem ihre Arbeit verrichten können.