Forschung
Wissenschaftliche Ausrichtung
Der Fokus der Arbeitsgruppe liegt auf der Untersuchung der photophysikalischen und -chemischen Eigenschaften von Übergangsmetallkomplexen, insbesondere in der d10-Elektronenkonfiguration, für potentielle Anwendungen in OLEDs, als Photokatalysatoren, Sensoren oder im Bereich der Quantenkommunikation. Dabei steht die konzeptionelle Entwicklung von Designmotiven für die jeweils anvisierten gewünschten Eigenschaften der Metallverbindungen im Vordergrund, wodurch wir auch dazu beitragen das generelle Verständnis von angeregten Zuständen in der Literatur zu erweitern.
Diese sehr interdisziplinäre Ausrichtung der Forschung des AK Steffen an der Schnittstelle zwischen klassischer metallorganischer Chemie, Photophysik/-chemie, Materialwissenschaften, (Photo-)Katalyse und theoretischer Chemie führte zur Etablierung vieler nationaler und internationaler Kooperationen, so dass Studierende und angehende selbständige Wissenschaftler auch dank der exzellenten apparativen Ausstattung (siehe Geräteliste) eine sehr breite Ausbildung mit unterschiedlichen Schwerpunkten erlangen können. Nachstehend werden einige allgemeine Aspekte unserer Arbeiten und einzelne näher Projektzweige beleuchtet.
Bedeutung photoaktiver Übergangsmetallkomplexe
Licht-absorbierende und -emittierende Übergangsmetallkomplexe sind für die Entwicklung innovativer photonischer Anwendungen von großer Bedeutung, da sie im Gegensatz zu auf der Nanosekundenzeitskala fluoreszierenden organischen Molekülen aufgrund der starken Spin-Bahn-Kopplung (spin-orbit coupling, SOC), die durch das Metallatom vermittelt wird, schnelles Intersystem Crossing (ISC) Sn→Tn unterlaufen. Der dadurch erreichbare Triplett-Zustand T1 weist grundsätzlich andere Eigenschaften auf als der angeregte Singulett-Zustand S1. So lassen sich beispielsweise in Abhängigkeit von der spezifischen operativen SOC, die den Spin-verbotenen Charakter des T1→S0-Übergangs in Metallkomplexen reduziert, hohe Quantenausbeuten bei Emissionszeiten von wenigen Mikrosekunden bis zu mehreren Millisekunden erzielen. Diese langen Lebensdauern sind sehr vorteilhaft für sensorische Anwendungen, wie z.B. der Detektion von molekularem Sauerstoff oder kleinen Molekülen, und können auch für zeitseparierte Bildgebung genutzt werden. Darüber hinaus sind Übergangsmetallkomplexe in ihrem angeregten Triplett-Zustand im Vergleich zu ihrem Grundzustand S0 deutlich stärkere Reduktions- und Oxidationsmittel, was zusammen mit der Langlebigkeit des T1-Zustands die Möglichkeit bietet, sie in der Photo-Redox-Katalyse für den Einzel-Elektronen-Transfer (SET) zu nutzen. Aufgrund der im Vergleich zum S1-Zustand generell niedrigeren Energie des T1-Zustands bietet die Emission über Phosphoreszenz auch Zugang zu Nah-Infrarot-(NIR)-Emittern. Phosphoreszierende Übergangsmetallkomplexe gelten als vielversprechende Kandidaten für Emittermaterialien in lichtemittierenden Dioden (LEDs), da der Elektron-Loch-Rekombinationsprozess ca. 75% Triplett-Zustände erzeugt, die bei alleinigem Einsatz von Fluorophoren nicht strahlend zerfallen, so dass ein maximaler interner Quantenwirkungsgrad der Bauelemente von nur 25% verbleibt. Metallkomplexe können die Triplett-Exzitonen mit hohen Strahlungskonstanten nutzen, so dass hocheffiziente LEDs, die am theoretischen Wirkungsgradmaximum arbeiten, möglich werden.
d10-Metallkomplexe der abundanten Elemente als attraktive Alternativen
Da das ISC als auch die Strahlungskonstanten unter anderem stark von der operativen SOC abhängen und die SOC-Konstante proportional zu Zeff4/n3 ist, wobei Zeff die effektive Kernladung und n die Hauptquantenzahl des Valenzelektrons (Schweratomeffekt) ist, konzentrierte sich die Forschung zur Anwendung photoaktiver Übergangsmetallkomplexe vor allem auf schwere und relativ selten vorkommende 4d und 5d Elemente wie RuII, OsII, IrIII und PtII. In diesen d6- und d8-Komplexen können jedoch niederenergetische metallzentrierte (MC) d-d*-Zustände zu sehr schnellem, nicht-strahlenden Zerfall führen und eine ernste Herausforderung zur Stabilisierung der Triplettzustände darstellen.
Das Problem der unerwünschten schnellen und strahlungslosen Desaktivierung der Triplettzustände, als auch der Kostenaspekte seltener Elemente, kann durch den eleganten Ansatz der Verwendung von d10-Metallkomplexen häufiger vorkommender Elemente in denen keine MC(d-d*)-Übergänge vorkommen, wie z.B. Kupfer oder Zink, gelöst werden. Die deutlich geringere SOC dieser leichten Elemente im Vergleich zu „traditionell“ für lumineszierende Komplexe genutzten 5d-Metalle, die i.d.R. zu hohen Strahlungskonstanten des T1-Zustandes führt, kann durch sogenannte thermisch aktivierte verzögerte Fluoreszenz (TADF, thermally activated delayed fluorescence) ausgeglichen werden. Hierunter versteht man die thermische Re-population des S1-Zustandes bei Raumtemperatur mit nachfolgender Fluoreszenz S1→S0, wodurch die formell Spin-verbotene Triplett-Emission T1→S0 umgangen und hohe Strahlungskonstanten (bzw. kurze Emissionslebensdauern) mit hohen Quantenausbeuten ermöglicht werden. Dieser Mechanismus ist insbesondere bei Cu(I)-Verbindungen sehr häufig vorkommend (Abb 1.).
Ein weiterer Vorteil von d10-Übergangsmetallkomplexen gegenüber den d6-Oktaeder- oder quadratisch-planaren d8-Verbindungen liegt in der flexiblen Koordinationsgeometrie (linear, trigonal, tetraedrisch), wodurch sich vielfältigere Möglichkeiten bieten, die angeregten Zustände in ihrer Natur und ihren photophysikalischen und photochemischen Eigenschaften zu beeinflussen. Hierzu zählt auch deren Fähigkeit für chemische Transformationen, Elektronen- oder Energietransfer zu geeigneten Substraten einzugehen und somit als Photo(redox)katalysatoren zu fungieren.
Herausforderungen und eigene Motivation/Ziele
Die Auswahl der π-Chromophor-Liganden für d10-Metallverbindungen ist sehr begrenzt. So basieren z.B. die meisten photoaktiven Kupfer(I)- und Zink(II)-Verbindungen in erster Linie auf Phosphin-, Diimin- und Halogenidliganden, während über lumineszierende d10-Metall-NHC-Komplexe (NHC = N-heterocyclische Carbene) sehr wenig bekannt ist. Zudem sind nur wenige allgemeine Struktur-Eigenschafts-Beziehungen bezüglich des TADF entwickelt worden, welches immer noch schwierig a priori vorherzusagen ist, insbesondere da d10-Metalle verschiedene Koordinationsgeometrien (linear, trigonal, tetraedrisch) annehmen können, die einen Einfluss auf die operative SOC und das TADF haben dürften. Gleiches gilt für das zielgerichtete Design chiroptischer Eigenschaften, die sich insbesondere in zirkular polarisierter Triplett-Lumineszenz mit hohen Strahlungskonstanten ausdrücken sollen, sowie der Redoxpotentiale und Energietransferfähigkeit der angeregten Zustände. Aus diesen Gründen ist das grundsätzliche Verständnis des photophysikalisch angeregten Zustandsverhaltens von d10-Metall-Systemen weiterhin unterentwickelt und das Potenzial hinsichtlich möglicher Anwendungen noch nicht aufgeklärt.
Unsere Arbeitsgruppe strebt danach, einen Beitrag zu leisten, diese intellektuellen Lücken zu schließen, indem wir neue Designmotive und Metallkomplexverbindungsklassen für photonische Anwendungen entwickeln. Die grundlegende Motivation und die Ziele unserer Arbeiten lassen sich vor diesem Hintergrund wie folgt zusammenfassen:
- Entwicklung von Struktur-Eigenschafts-Beziehungen der photophysikalischen Eigenschaften von d10-Übergangsmetallkomplexen, durch
a) Etablierung neuer π-Chromophor-Liganden für d10-Metallverbindungen
b) Entwicklung der Photophysik von d10-Metall-Carben-Komplexen
c) Untersuchung von metallophilen Wechselwirkungen in angeregten Zuständen - Übertragung der Erkenntnisse auf materialwissenschaftliche Anwendungen
- Entwicklung neuer photokatalytischer Systeme
Beispiele aktueller Projekte
I) Hocheffiziente (chiroptische) (NIR-)Emitter
Die Entwicklung von Nah-Infrarot-Emittern ist für den Tele- und Quantenkommunikationsbereich von großer Bedeutung. Phosphoreszierende Triplettzustände von Metallkomplexen eignen sich im Device-Bereich besonders, da ihre Energie generell niedriger liegt als die der angeregten fluoreszierenden Singulettzustände. Im NIR ist jedoch zumeist die nicht-strahlende Desaktivierung schneller als die Lumineszenz. Daher untersuchen wir rigide (chirale) Liganden mit energetisch niedrig liegenden LUMOs für effektiven MLCT mit hoher Spin-Bahn-Kopplung oder sehr effizientem TADF. Geeignete Kandidatenverbindungen mit hoher Strahlungskonstante und moderater bis guter Quantenausbeute testen wir in plasmonischen Resonanzstrukturen als nicht-klassische Einzelphotonenquellen.
J. Am. Chem. Soc. 2020, 142, 8897
Angew. Chem. Int. Ed. 2015, 54, 1570
Inorg. Chem. 2017, 56, 8996
Chem. Eur. J. 2017, 23, 2206
II) Kooperative Effekte in Multimetallkomplexen
Metallophile Wechselwirkungen erlauben die Beteiligung von mehreren Metallzentren im angeregten Zustand, wodurch die operative Spin-Bahn-Kopplung für effiziente Triplettemission erhöht und auf diese Weise die Triplettemission über Phosphoreszenz oder den TADF-Prozess beschleunigt werden kann. Zudem können multiple, nicht vollständig equilibrierte angeregte Zustände zu dualer Emission führen und das Design von Weißlichtemittern erlauben. In diesem Projekt untersuchen wir die strukturellen Parameter von Multimetallkomplexen im Grundzustand und deren Einfluss auf die Lumineszenz.
Chem. Commun. 2016, 52, 2932
Chem. Commun. 2015, 52, 5019
Angew. Chem. Int. Ed. 2016, 55, 10507
Chem. Eur. J. 2017, 23, 11684
III) Stimulus-responsive Phosphoreszenzmaterialien
Lumineszenzmaterialien, die auf einen äußeren Stimulus wie z.B. mechanischen Stress mit einer Änderung der photophysikalischen Eigenschaften (Lichtfarbe, Effizienz, Lebensdauer, Polarisation) reagieren, können als Sensoren, Datenspeicher und molekulare Schalter eingesetzt werden. Wohingegen Fluoreszenzemitter in dieser Hinsicht gut etabliert sind, gibt es für phosphoreszierende responsive Systeme bisher keine geeigneten Designkriterien. Wir konnten einen einfachen neuen mechanochromen Phosphoreszenz-Mechanismus in der Literatur etablieren, der auf der reversiblen Kontaktionenpaarbildung eines kationischen Metallkomplexes mit seinem Gegenion basiert. Zur Zeit untersuchen wir verschiedene niederkoordinierte Metallkomplexe sowie den Einfluss der Anionen in Abhängigkeit von ihrer Form und Größe auf die Änderung der Eigenschaften.
Angew. Chem. Int. Ed. 2018, 57, 13671
IV) Bimetallische Photokatalysatoren für Hydroelementierungsreaktionen
Photonen als Energiezufuhr können die Selektivität von chemischen Transformationen beeinflussen. Metallkomplexe werden in diesem Feld als „Antennen“ verwendet, die Licht absorbieren und im angeregten Zustand dank ihres veränderten Redox-Potentials Elektronen auf organische Substrate übertragen (Reduktion) oder diese oxidieren können. In dieser Art der Photo-Redox-Katalyse ist das Metallzentrum an der chemischen Reaktion nicht direkt beteiligt, sondern fungiert nur als Elektronen-Shuttle. Die besonderen Vorteile der metallorganischen Katalysemechanismen, wie z.B. Bindungsaktivierung, Nähe von Substraten, chirale Induktion etc., gehen hierbei verloren. Wir untersuchen metallvermittelte katalytische Reaktionen, in denen durch Lichtanregung der Reaktionsmechanismus vorteilhaft beeinflusst wird.