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Photoschaltbare Koordinationskäfige
- Neues aus der Fakultät 2024
Stimuli-responsive Moleküle oder Materialien ändern ihre Form, Funktion oder Dynamik unter Einfluss externer Impulse. Dieses Verhalten ist der Schlüssel zur Entwicklung intelligenter Werkstoffe, Oberflächen und Nanosysteme, welche z.B. Anwendung als schaltbare Katalysatoren, Bioimaging-Sonden oder molekulare Transporter für Wirkstoffe finden könnten. Licht als Stimulus kommt dabei besondere Bedeutung zu, da es quasi abfallfrei anzuwenden ist und eine präzise räumliche sowie zeitliche Kontrolle von Schaltvorgängen ermöglicht.
Bestimmte molekulare Funktionalitäten, sogenannte Photoschalter, erfahren eine strukturelle Änderung bei Bestrahlung mit Licht bestimmter Wellenlängen. In jüngster Zeit hat die Forschungsgruppe von Prof. Dr. Guido Clever an der TU Dortmund einige Erfolge bei dem Einbau von Photoschaltern in sogenannte Koordinationskäfige erzielen können. Diese Koordinationskäfige werden durch den Prozess der Selbst-Assemblierung - im Sinne eines sich selbst lösenden Puzzles - aus organischen Molekülen („Liganden“) und Metallkationen gebildet. Sie weisen nanometergroße Kavitäten auf, welche kleinere Gastmoleküle einlagern können. Aufgrund dieser Eigenschaft werden solche Käfige als Rezeptoren, Transporter und Katalysatoren untersucht. Da sowohl die Koordinationsbindung sowie die Gasteinlagerung reversibel sind, kann unter externen Einflüssen eine strukturelle Reorganisation dieser „supramolekularen“ Systeme erfolgen. Das ermöglicht z.B. die licht-induzierte Aufnahme und Abgabe von Gastmolekülen in photoschaltbaren Käfigen. Aber auch makroskopische Eigenschaften von photoschaltbaren Polymermaterialien, z.B. die Viskosität (Zähflüssigkeit), können mit Licht gesteuert werden.
Elie Benchimol (GRK2376-geförderter Doktorand in der Gruppe von Prof. Dr. Guido Clever) und Dr. Jacopo Tessarolo (ehemaliger PostDoc der Arbeitsgruppe) haben nun die Fortschritte auf dem Forschungsgebiet in einem „Perspektive“-Artikel zusammengefasst, welcher in dem renommierten Journal Nature Chemistry veröffentlich wurde. Der Artikel setzt den Fokus auf die größte Klasse an Koordinationskäfigen mit integrierten Photoschaltern, welche auf Palladium(II)-Kationen und Pyridin-Liganden basiert.
Beim Einbau von Photoschaltern in Koordinationskäfige können drei Szenarien unterschieden werden. In bistabilen Systemen (links) ist eine Rückkehr aus dem licht-induzierten Zustand allein durch thermische Relaxation aufgrund der hohen Aktivierungsbarriere nicht möglich. Es können folglich photoisomere Zustände mit unterschiedlichen Geometrien und Eigenschaften separat untersucht und verwendet werden. Dies konnte z.B. genutzt werden, um zwischen zwei unterschiedlichen Formen eines Koordinationskäfigs reversibel zu schalten. Aufgrund ihres unterschiedlichen Grades an struktureller Flexibilität haben die beiden Käfige deutlich unterscheidbare Bindungsaffinitäten zu Gastmolekülen, was deren licht-gesteuerte Aufnahme und Freisetzung ermöglicht. Im Gegensatz dazu erfolgt in metastabilen Systemen (Mitte) eine Rückkehr in den ursprünglichen Zustand durch thermische Relaxation. Der lichtinduzierte Zustand ist allerdings ausreichend langlebig, um diesen zu charakterisieren und die Umwandlung experimentell verfolgen zu können. Im dritten Szenario (rechts) ist die Aktivierungsbarriere noch niedriger, weshalb der höher-energetische Zustand nur durch kontinuierliche Bestrahlung mit Licht im Sinne eines „dissipativen Systems“ aufrechterhalten werden kann. Wenn die Photoisomere sich in ihrer Struktur stark unterscheiden, kann es außerdem sein, dass Schaltung zwischen einer definierten Spezies (z.B. einem Käfig) und undefinierten Spezies oder mehrdimensionalen Netzwerken erfolgt.
Neben einer Einordnung der existierenden Literatur und einer kritischen Beleuchtung ungeklärter Fragestellungen geben die Autoren Aussicht auf zukünftige Forschungsziele und Anwendungspotenziale.
Die Arbeiten wurden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) über das Graduiertenkolleg GRK2376 (https://www.confinement-controlled-chemistry.de) sowie den Exzellenzcluster RESOLV (EXC2033) (https://www.solvation.de/) gefördert.
Link zur Originalpublikation: https://www.nature.com/articles/s41557-023-01387-8
E. Benchimol, J. Tessarolo, G. H. Clever, Nat. Chem. 2024 https://doi.org/10.1038/s41557-023-01387-8