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Mit hochdimensionaler Festkörper-Kern­ma­gnet­re­so­nanz­spek­tro­sko­pie zu neuen Erkenntnissen über große Enzymkomplexe

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  • Neues aus der Fakultät 2022
Grafikillustration © AK-Linser​/​TU Dortmund
Alexander Klein und Prof. Rasmus Linser zeigen in den renommierten Proceedings of the National Academy of Sciences of the U. S. A. („PNAS“), wie sie mittels erstmaliger 5D-Festkörper-NMR-Methodik einen Größenrekord für NMR-Targetproteine aufstellen.

Protein-Kern­ma­gnet­re­so­nanz­spek­tro­sko­pie (NMR) ist eine weit verbreitete Methode, um die Struktur und Dynamik von Proteinen aufzuklären. NMR kann dabei mit atomarer Auflösung in das Innere von Proteinen schauen. Da sie auch Zugang zu Wasserstoffatomen (genauer, zu Protonen) liefert, ist die NMR eine wertvolle Ergänzung zu anderen strukturbiologischen Techniken wie Kryo-Elektronenmikroskopie (cryo-EM) und Röntgenstrukturanalyse. Die pro­to­nen­de­tek­tier­te Festkörper-NMR hat dabei den speziellen Vorteil, Moleküle prinzipiell unabhängig von ihrem Mo­le­ku­lar­ge­wicht studieren zu können, ein Wettbewerbsvorteil gegenüber der weiter verbreiteten Lösungs-NMR.

NMR-Rotor und Streichholz - Größenvergleich © AK-Linser​/​TU Dortmund
Abb. 1: Kleine Rotoren (hier 0.7 mm) gefüllt mit einer mikrokristallinen Proteinprobe werden mit Frequenzen von ca. 100 kHz im NMR Magneten gedreht und ermöglichen die Untersuchung von Proteinen, unabhängig ihres Molekulargewichts.

Die Gruppe um Prof. Rasmus Linser forscht an neuen Methoden und Anwendungen für die pro­to­nen­de­tek­tier­te Festkörper-NMR, um neue Einblicke in Proteine zu gewinnen, die bisher zu groß und komplex zu analysieren oder aus anderen Gründen nur schwer mit Lösungs-NMR zu untersuchen sind. Ein Haupt­au­gen­merk liegt dabei auf neuen, hoch­di­men­sio­na­len NMR Experimenten mit vier und fünf Dimensionen in Kombination mit „magic angle spinning“ (MAS), bei dem die Proteinprobe in einem kleinen Rotor mit Frequenzen von bis zu 100 Ro­ta­tio­nen pro Sekunde im Magneten gedreht wird (Abb. 1). So können Si­gnal­über­la­ge­run­gen minimiert werden und letzt­end­lich immer komplexere Systeme analysiert werden.

Abb. 2: Während das 2D 15N HSQC Spektrum (A) der Tryptophansynthase (Kristallstruktur in B) von starkem Überlapp geprägt ist, kann das 5D (in C, gezeigt sind H/N Planes, die durch drei weitere chem. Verschiebungen separiert werden) die Signale gut trennen (5D: blaue Peaks, HSQC in orange). D) Magnetisierungstransferweg für das 5D Rückgradzuordnungsexperiment sowie für ein 5D Seitenkettenzuordnungsexperiment, gezeigt in E).

In einem aktuellen Forschungsartikel im renommierten Journal PNAS zeigen die Forscher, wie vier- und fünfdimensionale NMR Experimente dazu genutzt werden können, um neue Einblicke in das 2 x 72 kDa große, PLP-abhängige Enzym Tryptophan Synthase zu erlangen (Abb. 2A-D). Damit stellen sie einen neuen „Weltrekord“ für die Komplexität (d. h. Mo­le­ku­lar­ge­wicht der asymmetrischen Einheit) von Festkörper-NMR-Targets auf und überbieten deutlich die bisherige Bestmarke von 42 kDa. PLP-abhängige Enzyme sind von Interesse als Drug targets, Tryptophan Synthase im Speziellen zudem als Biokatalysator in der Biotechnologie. Ihr Ka­ta­ly­se­me­cha­nis­mus ist jedoch auch nach Jahren intensiver Forschung noch nicht vollständig verstanden, auch dadurch, dass NMR Studien bisher durch das hohe Mo­le­ku­lar­ge­wicht stark limitiert gewesen sind.

In einer technischen Folgearbeit, just accepted in J. Phys. Chem. Lett., zeigt die Gruppe außerdem, wie fünf- und vierdimensionale Experimente verschachtelt werden können und so eine fast vollständige Signalzuordnung von allen Atomen in einem Modelprotein mit anschließender Strukturrechnung in nur wenigen Tagen erfolgen kann (Fig. 2E).

Abb. 3: A) Im Gegensatz zu den che­mi­schen Verschiebungen, die aufgrund von DFT-Rechnungen für das Pyridoxalphosphates für eine protonierte Schiffbase oder eine phenolische Form erwartet werden, passen die experimentell gefundenen Verschiebungen perfekt zu einem Tautomerisierungsgleichgewicht im 61:39 Verhältnis (Abweichungen für Heteroatome in ppm). B) Vergleich der bedingten Wahrscheinlichkeit für unterschiedliche Modelle, C) Temperaturabhängigkeit der Schiffbasenprotonierung, D) thermodynamische Daten zum Gleichgewicht.

Die neu entwickelten, hoch­di­men­sio­na­len NMR Experimente konnten nun dazu beitragen, Signale zum ersten Mal eindeutig den einzelnen Aminosäuren zuzuordnen. In Kollaboration mit der Gruppe um Prof. Leonard Mueller von der UC Riverside (Density Functional Theory Rechnungen von erwarteten che­mi­schen Verschiebungen) konnten die Autoren auf dieser Grundlage zeigen, dass verschiedene Kon­for­ma­tio­nen des aktiven Zentrums der Β-Untereinheit das Tautomerisierungsgleichgewicht der Schiffbase (Abb. 3) modulieren, das bislang erste Indiz dafür, dass die allosterische Regulation des Enzyms auch die che­mi­schen Eigenschaften der Reste in der aktiven Tasche, genauer den lokalen pKA der prosthetischen Gruppe, beeinflusst. Sie legen so außerdem den Grundstein für weitere NMR-basierte Studien an Tryptophan Synthase und anderen PLP-abhängigen Enzymen, welche die Dynamik dieser komplexen Enzyme genauer unter die Lupe nehmen.

Die Arbeiten an der TU Dortmund wurden im Rahmen des Emmy Noether-Programms und des Exzellenzclusters RESOLV durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.

A. Klein, P. Rovó, V. V. Sakhrani, Y. Wang, J.B. Holmes, V. Liu, P. Skowronek, L. Kukuk, S. K. Vasa, P. Güntert, L. J. Mueller, R. Linser,
Atomic-resolution chemical characterization of (2x)72-kDa tryptophan synthase via four- and five-dimensional 1H-detected solid-state NMR,
Proc. Natl. Acad. Sci. U.S.A., 2022, 119 (4), e2114690119

A. Klein, S. K. Vasa, B. Söldner, K. Grohe, R. Linser,
Unambiguous Sidechain Assignments for Solid-State NMR Structure Elucidation of Non-deuterated Proteins via a Combined 5D/4D Sidechain-to-Backbone Experiment
J. Phys. Chem. Lett., 2022