Archiv
Neue Ansatzpunkte für die Antibiotikaentwicklung
- Neues aus der Fakultät 2024
Ein genaues Verständnis über den Aufbau bakterieller Zellmembranen ist entscheidend für die Entwicklung neuer Antibiotika gegen bakterielle Infektionen. Die Zellwand ist der erste Berührungspunkt zwischen Antibiotikum und Bakterium. Besitzt ein Antibiotikum keine geeignete chemische Struktur, prallt es an bakteriellen Zellwänden ab – und die Behandlung einer Infektion scheitert. Diese Konsequenz wird global mit steigender Tendenz beobachtet: Laut Robert Koch-Institut sterben jedes Jahr ungefähr 1,27 Millionen Menschen an den Folgen einer Infektion mit Bakterien, die gegen Antibiotika resistent sind.
Um die Entwicklung wirksamer Antibiotika zu sichern, müssen neue, einzigartige Angriffspunkte in bakteriellen Zellmembranen erforscht werden. Denn sobald eine bakterielle Zellwand ihre Struktur und Funktion verliert, stirbt auch das Bakterium. Um dieses Ziel zu erreichen, untersucht das Team um Dr. Urner, der die länderübergreifende Forschung zwischen der TU Dortmund und der University of Oxford koordinierte, Bestandteile bakterieller Zellmembranen. Dabei beobachtete das Team eine neue Bindung zwischen Proteinen, die Osmose, Vitamin- oder Wirkstofftransport regulieren, und dem sogenannten „Lipopolysaccharid (LPS)“. Nach bisherigem Kenntnisstand ermöglicht die Bindung von LPS an Proteinen den Aufbau bakterieller Zellmembranen. Dieses Wissen ist entscheidend für die Weiterentwicklung von Reserveantibiotika, wie z.B. Colistin. „Die neu entdeckte Protein-LPS-Bindung liefert neue Ansatzpunkte für Antibiotika, die lebenswichtige Prozesse in Bakterien ausschalten“, sagt Dr. Urner.
Schlüsseltechnologien für diese Entdeckung waren skalierbare Hybrid-Detergenzien und Konzepte für die gezielte Untersuchung von Protein-Lipid-Wechselwirkungen. Beide Technologien wurden zuvor von der Arbeitsgruppe um Dr. Urner an der TU Dortmund entwickelt und in Fachjournalen veröffentlicht. Ein großer Teil der Forschungsarbeit wurde durch das Rückkehrerprogramm vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfahlen finanziert, über das Dr. Urner 2022 von der University of Oxford an die TU Dortmund kam. Neben Dr. Leonhard H. Urner und Prof. Dame Carol Robinson sind auch Kooperationspartner von der Sapienza Universität in Rom und der University of Warwick an der Publikation beteiligt.