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Schmelzpunkterniedrigung durch „Elektronenzug“

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  • Neues aus der Fakultät 2023
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Abb. 1: Chemische Struktur der Cyano-modifizierten organischen Bausteine und Kristallstruktur eines modifizierten MOFs (links). Kalorimetrische Daten der thermischen Analyse des Materials und mikroskopisches Bild eines MOF-Glases.

Die Fähigkeit, kristalline Materialien zu schmelzen und zu formen, hat zu bedeutenden Fortschritten in der technologischen Ent­wick­lung geführt und wird auch zukünftig eine entscheidende Rolle spielen. Viele modernen Funktionsmaterialien, wie zum Beispiel poröse metallorganische Gerüstverbindungen (Metal-Organic Frameworks, MOFs), können aber nicht geschmolzen und geformt werden, da sich die organischen Bausteine thermisch zersetzen bevor die Materialien ihren Schmelzpunkt erreichen. In einer neuen Pub­li­ka­tion zeigt das Team um Prof. Sebastian Henke, dass der Schmelzpunkt von MOFs drastisch gesenkt werden kann, indem die organischen Bausteine mit starken elektronenziehenden Gruppen modifiziert werden. So lassen sich schon bei relativ niedrigen Temperaturen formbare poröse MOF-Gläser herstellen. Die Ergebnisse wurden kürzlich im Journal of the American Chemical Society veröffentlicht.

Das Schmelzen von kristallinen Materialien ist ein Phänomen, das in verschiedenen Bereichen der Technologie eine herausragende Be­deu­tung hat. Durch das Anheben der Temperatur werden feste kristalline Strukturen destabilisiert, was zu einer Umwandlung in den flüssigen Aggregatzustand führt. Diese Veränderung ermöglicht eine Vielzahl von Anwendungen, die unseren Alltag prägen. Prominente Beispiele sind das Schmelzen von Metallen, um sie in Form zu bringen und verschiedene Bauteile herzustellen, oder das Schmelzen von Sand für die Her­stel­lung von Gläsern in variablen Formen.

Dr. Jianbo Song und das Team von Prof. Sebastian Henke hat eine neue chemische Methode entwickelt, mit der sich die Schmelztemperatur von porösen MOFs sehr effektiv erniedrigen lässt. Durch Einbau von organischen Netzwerkbausteinen mit zusätzlichen, stark elektronenziehenden Cyano-Gruppen werden die che­mi­schen Bindungen zwischen den organischen und anorganischen Netzwerkbausteinen geschwächt, sodass die MOFs schon unter 300 °C schmelzen. Da bei diesem Prozess keine Zersetzung stattfindet, können die flüssigen MOFs beim Abkühlen in poröse Gläser überführt werden. Mit detaillierten thermischen Analysen konnte das Team tiefe Einblicke in die Thermodynamik des Schmelzens und der Glasbildung dieser außergewöhnlichen Funktionsmaterialien gewinnen. Spannenderweise deuten die kalorimetrischen Daten darauf hin, dass die Cyano-modifizierten MOFs beim Schmelzen zwei verschieden flüssige Phasen mit unterschiedlicher Porosität, Dichte, Ordnung und Energie bilden. Ein solches Verhalten ist bisher nur bei sehr wenigen Materialien beobachtet worden. Die Ergebnisse der Studie bilden die Grundlage für die Ent­wick­lung von hochporösen MOF-Gläsern für Anwendungen als Trennmembranen, feste Ionenleiter und Katalysatoren.

Gefördert wurde diese Arbeit u.a. von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem China Scholarship Council.

Modulating Liquid–Liquid Transitions and Glass Formation in Zeolitic Imidazolate Frameworks by Decoration with Electron-Withdrawing Cyano Groups
J. Song, L. Frentzel-Beyme, R. Pallach, P. Kolodzeiski, A. Koutsianos, W.-L. Xue, R. Schmid, S. Henke, J. Am. Chem. Soc. 2023, 145, 9273.

Ar­beits­kreis Prof. Henke