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Nicht-statistische Assemblierung von Multikomponenten-Nanostrukturen

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  • Neues aus der Fakultät 2024
Formation of a Pd2ABCD cage © CLeverLab ​/​ TU Dortmund

Bei der Untersuchung biologischer Strukturen auf atomarer Ebene fasziniert die Komplexität der Formen und Funktionen, die die Grundlage allen Lebens auf der Erde bilden. Während die Natur im Laufe von Milliarden von Jahren verflochtene Netzwerke von interagierenden molekularen Strukturen entwickelt hat, stehen synthetische Chemiker und Chemikerinnen bei der Synthese komplexer Moleküle immer noch vor großen Herausforderungen. Ein Ansatz ist die mehrstufige organische Synthese, die mühsame und ressourcenintensive Laborarbeit erfordert, oft über viele Jahre hinweg. Eine andere Strategie nennt sich "Selbst-Assemblierung" und basiert darauf, eine Gruppe einfacher Bausteine zusammenzubringen, die sich durch schwache und dynamische Wechselwirkungen miteinander zu einem größeren Objekt verbinden. Der Verlauf des Strukturbildungsprozesses wird dann üblicherweise von grundlegenden geometrischen Faktoren kontrolliert, bis alle zufällig aufeinandertreffenden Komponenten ein stabiles Produkt gebildet haben. In diesem Prozess zerfallen fehlerhaft zusammengesetzte, instabile Zwischenprodukte wieder und beteiligen sich an der Bildung des stabilen Endproduktes, bis alle Bausteine verbraucht sind ("Selbstreparatur"). Dieses Verfahren, vergleichbar mit einem sich selbst lösenden Puzzle, litt bisher oft unter der begrenzten Anzahl verschiedener Bausteine, die im finalen Produkt vereint werden konnten. Wird versucht, eine größere Vielfalt und Anzahl von Komponenten einzubeziehen, um niedriger symmetrische Anordnungen zu erreichen (die biologischen Strukturen in Bezug auf Form und Funktion näherkommen), sieht man oft die Bildung statistischer Mischungen einer Vielzahl selbst-as­sem­blier­ter Objekte. Mit anderen Worten, die Bausteine können nicht entscheiden, welches Produkt sie bilden sollen, und das molekulare Puzzle ergibt keine definierte Lösung.

Im Rahmen des European Research Council (ERC)-finanzierten Forschungsprojekts RAMSES an der TU Dortmund hat die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Guido Clever, Fakultät für Chemie und Chemische Biologie, eine Reihe von Strategien entwickelt, um diese Einschränkung zu überwinden und die Wechselwirkung zwischen unterschiedlichen Bau­stei­nen zu kontrollieren. Dadurch wird die strukturelle und funktionale Komplexität dieser molekularen Puzzles erhöht und diese so auch näher an Anwendungen herangeführt. Indem sie den Schritt von der "Selbst-Assemblierung" zu einer "Selbst-Sortierung" machten, hatten die Forscher zuvor bereits komplexe Nanostrukturen realisiert, die als spezifische Rezeptoren für Biomoleküle, einstellbare optische Werkzeuge und neue Emulgatoren für organische Lö­sungs­mit­tel dienen können. Die Funktionen dieser Systeme basierten auf dem Zusammenspiel zwischen zwei chemisch unterschiedlichen Bau­stei­nen. Jetzt erfolgte ein weiterer großer Schritt, indem gezeigt wurde, dass alle vier organischen Bausteine ("A, B, C, D") eines nanoskopischen Käfigs (eine molekulare Architektur mit einem inneren Hohlraum), die von zwei Ionen des Metalls Palladium ("Pd", als molekularer Kleber wirkend) zusammengehalten werden, ohne die Bildung eines statistischen Durcheinanders differenziert werden können. Bei der Mischung von A, B, C und D mit den Pd-Ionen wird nur ein definiertes Produkt (Pd2ABCD) beobachtet, ohne dass Kombinationen wie Pd2A4, Pd2A3B, Pd2A2BC oder andere der 55 Produkte entstehen, die ohne Kontrolle über die Selbst-Sortierung zu erwarten wären. Der Schlüssel zu diesem Erfolg ist die Kombination mehrerer Kontrollmechanismen, darunter "Formkomplementarität" zwischen ausgewählten Bau­stei­nen und di­rek­te Wechselwirkungen zwischen benachbarten Einheiten im Endprodukt. Auf diese Weise konnte das Team Ordnung in das Chaos bringen, welches entstünde, wenn man das System vollständig der "Entropie" überlassen würde, der natürlichen Tendenz zu Unordnung in allen physikalischen Prozessen.


Die in der hochrangigen Zeitschrift "Nature Chemistry" präsentierte Studie ist von grundlegender Natur und weist einen entscheidenden Fortschritt im Bereich der "Supramolekularen Chemie" auf, indem sie wichtige Einblicke und Gestaltungsprinzipien für solch komplexe Nanostrukturen liefert. Der Zugang zu diesen Ver­bin­dun­gen dient als Grundlage für zukünftige Entwicklungen und Anwendungen, zum Beispiel in der Realisierung von lebensähnlichen synthetischen Systemen, selektiven molekularen Rezeptoren und Katalysatoren sowie maßgeschneiderten Materialien für Forschungsbereiche wie Energieumwandlung und medizinische Diagnostik.


"Nonstatistical Assembly of Multicomponent [Pd2ABCD] Cages“, K. Wu, E. Benchimol, A. Baksi, G. H. Clever,
Nat. Chem. 2024, DOI: 10.1038/s41557-023-01415-7
https://doi.org/10.1038/s41557-023-01415-7

(in Highlight Artikeln bei ChemistryViews sowie in Chem hervorgehoben)


Mehr Informationen auf der Webseite des Clever Lab: www.clever-lab.de
 

Picture of Dr. Kai Wu, Prof. Dr. Guido Clever and Elie Benchimol © CleverLab ​/​ TU Dortmund
An der Studie beteiligte Autoren: (v.l.n.r.) Elie Benchimol, Dr. Kai Wu, Prof. Dr. Guido Clever.